Wozu Zuversicht?
Es hat mit Handyfotos zu tun. Und mit Hoffnung und mit Geschichten. Und auch mit Krisen.
Ist die aktuelle Multi-Krisenzeit auch eine Multi-Chancenzeit?
Gibt uns nicht jede einzelne Krise einen guten Grund, den Kopf in den Sand zu stecken?
Oder ist es jeweils ein noch besserer Grund, zuversichtlich zu sein - jetzt erst recht?
Ich plädiere für letzteres, ganz im Sinne von Václav Havel (1936-2011): “Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht.”
Ich verstehe Zuversicht als eine Haltung, die wir auch und gerade in Krisenzeiten einnehmen können, vielleicht sogar einnehmen müssen. Denn wir können vielleicht nicht immer die äußeren Umstände ändern, jedoch können wir immer unsere Einstellung dazu ändern. Wir können (neue) Kräfte mobilisieren, individuell und auch gemeinsam. Unsere Werte können uns dabei helfen.
Zudem zeigen aktuelle Forschungsergebnisse, dass Vertrauen, Hoffnung und Sinn uns stärker und widerstandsfähiger machen. Und genau das brauchen wir alle heute mehr denn je.
Deswegen freue ich mich besonders, gerade (aber nicht nur) junge Erwachsene zum Event “Rohdiamant Zuversicht” am 15. Mai einzuladen, wenn es darum geht, verschiedene Perspektiven auf Zuversicht zu werfen und in den Austausch zu kommen. Mit dabei sind unter anderem Ulrich Schnabel (ZEIT-Journalist und Autor; siehe unten), Clara Lösel (Literaturpreisträgerin) und Anoosh Werner (Wasseraktivistin).
Ich habe die Ehre, diese Experten wie auch das Publikum in der gemeinsamen Reflexion und Diskussion zu moderieren. Und bin zuversichtlich, dass viel Verbundenheit und Sinnerleben entstehen wird. Alle Details weiter unten, ich freue mich auf dich!
🔎 Aus der Forschung: Wozu hoffnungsvoll sein? (und was das mit Handyfotos zu tun hat)
Sinn und Hoffnung sind zwei wesentliche Komponenten für ein erfülltes und gesundes Leben. Eine wissenschaftliche Studie hat gezeigt, wie die Förderung des Lebenssinns (englisch: Meaning in Life, MIL) auch unsere Hoffnung und Zuversicht stärken kann - eine Erkenntnis, die gerade in Multi-Krisenzeiten von großer Bedeutung ist.
Die Studie, die 2021 veröffentlicht wurde, untersuchte die fördernde Rolle des Lebenssinns (MIL) auf die Hoffnung und den zugrundeliegenden Vermittlungsmechanismus über den zukünftigen zeitlichen Fokus (englisch: future temporal focus, FTF).
Studie 1, eine dreiwöchige Längsschnittstudie, untersuchte 418 Beschäftigte, während Studie 2 eine Interventionsstudie mit 129 chinesischen Studierenden während der COVID-19-Pandemie war.
Die tägliche Praxis, Dinge zu fotografieren, die einem das Gefühl geben, dass das eigene Leben einen Sinn hat, führte zu einer signifikanten Erhöhung der MIL. Diese Intervention zeigte nicht nur, dass es möglich ist, den Lebenssinn zu erhöhen, sondern auch, dass dies Hoffnung und Zuversicht fördert.
Wieso ist Sinn im Leben hilfreich? Und sollen wir also hoffnungsvoll sein? Die Ergebnisse der Studie sind unter anderem folgende:
Sinn im Leben (MIL) vermittelt nicht nur ein Gefühl der Sinnhaftigkeit des Lebens vermittelt, sondern auch die Hoffnung steigert, indem es den Blick in die Zukunft lenkt.
Darüber hinaus stieg MIL sowohl in der Interventions- als auch in der Kontrollgruppe signifikant an, was darauf hindeutet, dass die Schaffung von Lebenssinn auch in schwierigen Zeiten möglich ist.
Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen die Bedeutung des Lebenssinns für unsere psychische Gesundheit und unser Wohlbefinden. Sie zeigen, dass ein Gefühl von Lebenssinn uns nicht nur hilft, uns in unserer Welt zurechtzufinden, sondern auch Hoffnung und Zuversicht für die Zukunft gibt.
Also, zück’ dein Handy (oder auch deinen Stift) und dokumentiere jeden Tag ein Teil, das dir das Gefühl gibt, dass dein Leben sinnvoll ist.
Wenn du noch Inspiration suchst, schau’ gerne auf meinem Instagram-Account @ninabuerklin nach: ohne damals von der (noch laufenden) Studie zu wissen, hatte ich mir vor vier Jahren genau diese Aufgabe als 100-Tage-Challenge gesetzt… bis heute dokumentiert.
P.S. Gute News für alle Fans von Viktor Frankl! Sein Konzept der Logotherapie wird durch diese Studie auch aus Sicht der modernen Psychologie bestätigt: Sinn und Hoffnung gehören untrennbar zusammen!
💬 On words
Zuversicht heißt also nicht, illusionäre Hoffnungen zu hegen, sondern einen klaren Blick für den Ernst der Lage zu behalten; zugleich bedeutet Zuversicht aber auch, sich nicht lähmen zu lassen, sondern die Spielräume zu nutzen, die sich auftun – und seien sie noch so klein.
– Ulrich Schnabel
🔎 Aus der Praxis: Was ist Zuversicht?
Der Journalist und Autor Ulrich Schnabel hat dem Thema ein ganzes Buch gewidmet: Zuversicht: Die Kraft der inneren Freiheit und warum sie heute wichtiger ist denn je. Neben wissenschaftlichen Erkenntnissen bringt er viele Gelingensgeschichten von Menschen ein, die allen Grund gehabt hätten, Zuversicht zu verlieren - und sie dennoch bewahrt haben.
Die folgenden Gedanken aus dem Buch haben mich besonders berührt und im guten Sinn nachdenklich gestimmt:
Eingängig lassen sich die Unterschiede zwischen Optimismus, Pessimismus und Zuversicht anhand der berühmten Parabel von den drei Fröschen illustrieren, die in einen Topf Sahne fallen. Der Pessimist denkt: »O je, wir sind verloren, jetzt gibt es keine Rettung mehr.« Sagt’s und ertrinkt. Der Optimist hingegen gibt sich unerschütterlich: »Keine Sorge, nichts ist verloren. Irgendjemand wird uns am Ende schon retten.« Er wartet und wartet und ertrinkt schließlich ebenso sang- und klanglos wie der erste. Der dritte, zuversichtliche Frosch hingegen sagt sich: »Schwierige Lage, da bleibt mir nichts anderes übrig, als zu strampeln.« Er reckt den Kopf über die Milchoberfläche und strampelt und strampelt – bis die Sahne zu Butter wird, und er sich mit einem Sprung aus dem Topf retten kann.
Zuversicht ist eine Haltung, die sagt: Was ich für richtig erkannt habe, das mache ich, auch wenn die Umstände widrig sind. Eine solche Haltung verschafft uns innere Freiheit und eine gewisse Unabhängigkeit von dem äußeren Erfolg.
Eine Orientierung auf solche als sinnhaft empfundenen Werte kann jedenfalls enorme Kräfte mobilisieren, sowohl beim Einzelnen als auch gesellschaftlich. Dass eine solche Veränderung auch auf den Widerstand gewaltiger Gegenkräfte trifft – nun, das gehört zum Wesen eines jeden Umbruchs dazu. Aber der Einsatz dafür vermag eben jene Zuversichtsenergie freizusetzen, die vielen heute schmerzlich fehlt.
Übrigens: Wer sich an meinen Newsletter zum Thema Schreiben erinnert, wird sich freuen, dass auch Ulrich Schnabel auf die starke Kraft dessen hinweist. “Denn wer schreibt, gewinnt im wahrsten Sinne des Wortes die Kontrolle über die eigene Geschichte zurück – zumindest über die Art und Weise, wie man diese Geschichte erzählt.”
📆 Einladung: Rohdiamant Zuversicht (15. Mai in Frankfurt)
Zuversichtlich sein klingt gut, ist aber leichter gesagt als getan. Schließlich stolpern wir von Krise zu Krise, in den Nachrichten toppt eine schlechte Nachricht die nächste, und ein Teil der Gesellschaft sieht sich als „Letzte Generation“, die es in kurzer Zeit schaffen muss, das Steuer in Sachen Klimaschutz und Artensterben herumzureißen.
Wir fragen uns: Ist Zuversicht überhaupt möglich? Ist sie angebracht? Macht sie vielleicht den entscheidenden Unterschied zwischen lähmendem Pessimismus und hohlem Optimismus? Haben wir gar eine Pflicht zur Zuversicht?
Am 15. Mai werden diese und andere Fragen bei einem Event im Senckenberg-Museum in Frankfurt diskutiert - einerseits mit Experten aus Wissenschaft und Praxis, u.a. Ulrich Schnabel und Clara Lösel, andererseits mit den Teilnehmenden aus dem Publikum. Es gibt Impulse und Raum für Austausch untereinander. Das Event ist eine Kooperation des AVE Instituts, Waves of Action (die Jugendinitiative der Okeanos Stiftung für das Meer) und des Senckenberg-Museums in Frankfurt.
Kostenfreie Tickets für das Event am 15. Mai um 18:00 gibt’s hier:
🧭 Zum Nachdenken und -spüren
Was hat dir in der letzten Woche Zuversicht gegeben? Wie kannst du diese Zuversicht in deinem Umfeld teilen?
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