Utopie allover
Herzliche Einladung zum Chaos in meinem Kopf: Fangirl-Momente, ein 5-Punkte-Plan für Zukunftsgestaltung und eine Liste von Sachen, auf die ich mich freue.
Dieser Newsletter ist anders.
Ich versuche gar nicht erst, eine logische Struktur oder eine schlüssige Abfolge von Themen aufzubauen. Zu viele Gedanken, Fragen und Ideen in meinem Kopf schwirren in meinem Kopf herum.
Drei Tage Utopie-Konferenz in Lüneburg liegen hinter mir.
Mindestens 30 Tage Auf- und Nachbereitung in unterschiedlichster Form liegen vor mir. Ich fange gerade erst an.
What we cannot imagine cannot come into being. — Bell Hooks
Aber ich zeig’ dir gerne eine Art Schnappschuss vom aktuellen Stand — wohl wissend, dass nicht alles final durchdacht, tiefgründig recherchiert oder abschließend bewertet ist (falls es das je geben kann).
Beim Schreiben habe ich gemerkt, dass 5 die Zahl dieses Newsletters ist. Interessant!
Wenn du magst, komm’ mit auf eine Reise ins Ideenfeuerwerk. Und lass’ mich gern wissen, was dich besonders anspricht oder wo du dir eine Vertiefung wünschst.
Welcome to Utopia!
Fangirl-Momente
Besonders gefreut hatte ich mich auf den Beitrag der Neurowissenschaftlerin Maren Urner, nachdem ich sie in einem Podcast gehört und ihr Buch Radikal Emotional - Wie Gefühle Politik machen gelesen hatte.
Ich wurde nicht enttäuscht und bin nach wie vor begeistert, wie anschaulich sie ihre Forschungsergebnisse auf den Punkt bringt, Menschen aus anderen Disziplinen abholt und konkrete Impulse für den Alltag geben kann.
Ein absoluter Fangirl-Moment und eine große Inspiration für meine Arbeit.
Ich kann ihr Buch nur jedem ans Herz (und Hirn) legen, aber vorher noch drei Insights, die ich von ihr mitgenommen habe.
1. Die Antidote zu Angst ist… Vertrauen!
Angst an sich ist nichts Schlechtes, sondern ein Gefühl, das eine bestimmte Funktion hat. Sie versetzt uns jedoch psychisch und physisch in einen Zustand, in dem wir unseren Fokus verengen und nur noch ans Überleben denken.
Gefragt nach der Antidote zu Angst, antwortet Maren Urner: Vertrauen. Damit gemeint ist Vertrauen im Sinne von Nähe.
Um es noch konkreter zu machen: Vertrauen im Sinne echter Verbundenheit zwischen Menschen. Es geht nicht um Tausende von Likes oder Heerscharen von Followern, sondern um echte Beziehungen. Es geht darum, den anderen verstehen zu wollen.
2. Transformation als Synonym für das Leben
Wir verändern uns in jedem Augenblick. Ständig. Und wie die Neurowissenschaften gezeigt haben, kann sich auch unser Gehirn bis zum Schluss verändern, bis zum letzten Atemzug. Stichwort Neuroplastizität.
Das bedeutet auch: Veränderung ist Ausdruck von Lebendigkeit.
Transformation, so Maren Urner, können wir als Synonym für Leben sehen. Und das heißt auch: Wenn wir das, was wir jetzt haben, erhalten wollen, müssen wir uns verändern.
3. Fokus auf Kultur und Aus-Zeiten!
In den letzten Jahrzehnten haben wir Technologien geschaffen, die uns oftmals überfordern und uns in einem ständigen Stresszustand verharren lassen.
Die Technologien sind nicht per se schlecht, aber wir haben noch nicht die entsprechende Kultur geschaffen, um um gut damit umzugehen. Wir müssen lernen, sie besser zu nutzen anstatt von ihr benutzt zu werden.
Und dazu gehört auch: Auszeiten schaffen, sich Pausen gönnen und unserem Gehirn die Chance geben, neue Möglichkeitenräume zu erschaffen.
5 Dinge, auf die ich mich freue
Ich habe euch gewarnt: Mein Kopf ist voll von Gedanken und Ideen. Und ihr seid mittendrin.
Dazu gehören auch diese Impulse aus Begegnungen auf der Utopie-Konferenz, mit denen ich mich in den nächsten Tagen und Wochen näher beschäftigen möchte.
Der Newsletter und die fundierten Debattenkompasse von Mission wertvoll, initiiert von Maja Göpel, u.a. Gastgeberin der Utopie-Konferenz.
Das Buch Sanfte Radikalität - Zwischen Hoffnung und Wandel von Jagoda Marinic, die zusammen mit Maja Göpel durch die Konferenz geleitet hat.
Nachdem ich bei der Langen Nacht der Utopien einen Sneak Preview gekriegt habe, freue ich mich umso mehr auf die Lesung zum Buch Was ist schon für immer? Vom Leben mit der Endlichkeit von und mit Katja Lewina.
Den TED Talk Digital Social Innovation to Empower Democracy von Taiwans Digitalministerin, Audrey Tang (in englischer Sprache).
Mehr Leichtigkeit und Humor bei all den aktuellen Herausforderungen, wie ich durch die Initiative Say Yay von Sybille Riepe erleben durfte. Besonderes Highlight? Das “Nörgelfasten”!
Ein 5-Punkte-Plan und ein Appell für aktive Zukunftsgestaltung
Im Gespräch mit Jagoda Marinic hat Florence Gaub, Militärexpertin und Zukunftsforscherin, auf beeindruckende Weise schnell mal einen 5-Punkte-Plan für eine aktive Zukunftsgestaltung rausgehauen (absoluter Fangirl-Moment!).
Fünf Punkte von Florence, fünf Beispiele aus meinem Leben.
1. Andere Narrative für unsere Zukunft
Wir brauchen positive Antworten auf die Frage: wie gehen wir mit dem Klimawandel um. Die Erzählung muss positiver werden und von Möglichkeiten berichten. Es geht nicht um Angst und Verzicht, sondern darum, was wir durch Veränderung gewinnen können.
Ich selbst empfinde die Entwicklung weg von tierischen Produkten hin zu vegetarisch-veganen Produkten als Bereicherung und stehe oft genug neugierig vor dem Regal: Was gibt es heute wieder an neuen Produkten, an überraschenden Innovationen? Ich empfinde das weniger als Verzicht denn als Bereicherung.
2. Die Chancen des demografischen Wandels
Jahrzehntelang war es unser Ziel, gesünder und älter zu werden. Jetzt haben wir es geschafft, und wir hören viele Stimmen, die sagen, wie schlimm der demografische Wandel ist. Aber wir sollten ihn nicht als etwas Negatives sehen. Es ist großartig, dass wir so gesund sind, dass wir voneinander lernen können, dass das Erfahrungswissen der Älteren auf die Neugier der Jüngeren trifft.
Eins meiner Lieblingsbeispiele? Die Zusammenarbeit mit meinen zwei Co-Autoren für unser Buch Wege agiler Führung — mit Sinn. Selten habe ich so konstruktiv mit anderen Menschen zusammengearbeitet und wirklich um die Inhalte gerungen. Knapp 170 Lebenserfahrung und eine Vision. Es geht!
3. KI als Erleichterung unseres Alltags
Statt Angst vor künstlicher Intelligenz zu haben (was auch immer wir darunter verstehen), ist es an uns, die Chancen zu erkunden. Wo kann KI uns unterstützen, Prozesse vereinfachen, Arbeit erleichtern? Und ja, wir können dabei einen konstruktiv-kritischen Blick auf Algorithmen behalten UND Chancen erkennen.
Auch für diese Ausgabe meines Newsletters bin ich froh, meinen Text auf Rechtschreibung, Wiederholungen und viel zu verschachtelte Sätze überprüfen lassen zu können — nicht von Menschen, sondern von Deepl Write.
4. Eine neue Form von Geopolitik
Es ist ein Irrglaube, dass andere Länder und Mächte uns etwas wegnehmen wollen. Es mag utopisch klingen, aber es ist an der Zeit, in Netzwerken zu denken, so Florence Gaub: weg vom Haben (mehr Waffen, mehr Militär, mehr...), hin zu Netzwerken (mit wem können wir Allianzen bilden, mit wem können wir uns verbünden?)
Truth be told: ich bin keine Expertin für Politik, erst recht nicht für Geopolitik. Aber auch ich finde diesen Gedanken mit Blick auf die aktuelle Weltlage interessant. Bald soll ein entsprechender Artikel im Spiegel dazu erscheinen, ich bin gespannt!
5. Sinn im Leben finden
Florence Gaub fragt auch und gerade als Zukunftsforschering: Was ist der Sinn des Lebens? Wir sind in einer Gesellschaft des Habens aufgewachsen. Und jetzt bewegen wir uns vom Haben zum Sein. Die Menschen wollen immer mehr erleben, anstatt noch mehr Besitz anzuhäufen.
Immer wieder höre ich von Klienten: “Ich habe alles, einen sicheren Job, eine schöne Wohnung, genug zu essen - und trotzdem fühle ich mich einfach leer”. Ich glaube, so geht es vielen Menschen heute. Und ich bin überzeugt, dass wir viel gewinnen können, wenn wir uns fragen, was das Leben lebenswert macht.
Ein Appell: Wenn nicht du, wer dann?
Ich nehme vor allem einen Appell mit, den Florence Gaub an alle im Publikum richtete (sinngemäß zitiert).
Wenn nicht du, als jemand, der in einem der reichsten Länder der Welt lebt, mit Demokratie und Meinungsfreiheit, mit der Möglichkeit, sein Konsumverhalten zu ändern, etwas ändern kannst, wer dann?
5 Offene Fragen
Passend zum letzten Newsletter sind bei mir auch in den letzten drei Tagen viele Fragen entstanden.
Manche der Fragen gehen in die Richtung meiner “Twelve favorite problems”, andere sind neu — auf keine habe ich eine abschließende Antwort.
Bei aller Schwere im Leben: Wie können wir mehr Leichtigkeit und Humor in unseren Alltag integrieren?
Wie können wir mehr Räume im Alltag schaffen, in denen sich Menschen ehrlich und auf Augenhöhe austauschen können?
Was braucht es wirklich, um vom Reden ins Tun zu kommen, wie können wir ganz praktisch werden?
Wie können wir weg von Fingerpointing hin zu Eigenverantwortung kommen?
Wie können wir unseren Körper noch mehr in so hochtrabende und wichtige Diskurse miteinbeziehen (denn er ist ja so viel mehr als nur die Halterung für unseren großen Kopf!)?
Was sind deine Fragen?
Von welcher Utopie träumst du?